Copyright: Stefanie Sargnagel |
Zitat des Jahres: "Liebe ist ein Teller voll frisch geschnittenem Obst". Dem ist nur zuzustimmen und hinzuzufügen - und Trost ist ein Teller mit dampfend heißer Suppe.
1. STEFANIE SARGNAGEL - IOWA
Strenggenommen Ende Dezember 2023 erschienen, aber was ist in dieser eigenartigen Phase des Jahres schon Zeit: Und weil mich 2024 kein anderes Buch mehr begeisterte, landet dieser besondere Reisebericht auf Platz 1. Die Königin von Wien, Stefanie Sargnagel fliegt mit der Königin von Berlin, Christiane Rösinger in den Mittleren Westen der USA und erzählt mit erheiternden und ehrlichen Fußnoten der Indie-Musiklegende Rösingers „korrigiert“ im lakonisch, lässigen und lustigen Sargnagel-Sound von ihren Erlebnissen zwischen Redneck-Kleinstadt und woken Colleges. Sie treffen auf Menschen, die den „Simpsons“ oder den „Gilmore Girls“ entsprungen sein könnten, sie blicken mit liebevollem Sarkasmus auf Iowa und die sich auf dem im Eigenfett wälzenden Hotdogs, um „Kruste um Kruste aufzubauen wie Panzer gegen Verderblichkeit“. Aber Sargnagel und Rösinger blicken auch mit viel Selbstironie auf sich selbst - und vor allem zeigen sie das Elementare von Frauenfreundschaften.
2. TOXISCHE POMMES - EIN SCHÖNES AUSLÄNDERKIND
Vor dem Krieg in Jugoslawien flüchtet die Familie von Toxische Pommes (bürgerlicher Vorname Irina, Nachname unbekannt) nach Österreich, wo sie in Wiener Neustadt aufwuchs. Diese Erfahrung hat die Satirikerin und Schriftstellerin in diesem autofiktionalen Romandebüt in rührenden, brutalen, traurigen, absurden, lustigen und liebevollen Worten aufgeschrieben, die einfach radikal ehrlich sind. Wer selbst als Kind aus seinem Umfeld herausgerissen wurde und irgendwo anders klarkommen muss - wie ich auch - muss dieses Buch lesen. Wenn darin Osteuropa- und Balkanklischees so gnadenlos auf Österreich-Banalitäten treffen, lacht man Tränen, wenn von inneren Kämpfen und identitätszerrissenen Episoden berichtet wird, weint man Tränen.
3. BARBI MARKOVIC - MINIHORROR
Alltagshorror in Kurzgeschickten verpackt und zerhackt: Mit Wut und Wucht erzählte schlaue, schräge und scharf formulierte Storys. Als Untertitel für „Minihorror“ könnte man „Kafka bei Ikea“ nehmen, denn Barbi Markovic schält die ganz gewöhlichen Albträume aus ihrer Fiktion und lässt sie lebendig werden. In kargen bis knalligen Worten beschreibt sie den Kosmos zwischen Wien und Belgrad, in der ihre Hauptfiguren Miki und Mini leben, deren Namen an Disney-Figuren erinnern und das Schriftbild auf dem Cover ebenso, die aber hier nicht putzig, sondern paranoid durch die Storys dieses "Lustigen Taschenbuchs" getrieben werden. Das ist mal urkomisch und dann wieder urböse.
4. THERESA PRAMMER - FALSCHE MASKEN
Der mittlerweile dritte Krimi um das ungleiche Detektivduo Toni und Edgar, die diesmal im Theatermilieu einen Fall lösen müssen: Dabei jagen die beiden durch Wien und kommen an vielen vertrauten Orten vorbei und auch sie selbst - die empathisch emotionale Theaterstudentin und der stoische schwule Ermittler - kommen einem als LeserIn immer vertrauter vor. Das eine der Hauptfiguren meinen Nachnamen trägt - leicht ander geschrieben als Kratochvil - hat zur Vertrautheit mit Theresa Prammers äußerst lebendigen und liebenswerten Figuren nur beigetragen. Bei all den filmischen Szenen bleibt zu hoffen, dass daraus eine TV-Serie wird...
5. HARUKI MURAKAMI - DIE STADT UND IHRE UNGEWISSEN MAUERN
Ein episches und philosophisches Werk des magischen Realismus, wie ihn nur der Japaner Haruki Murakami schreiben kann, ohne dass einen Einhörner und Traumleser als kitschige Protagonisten stören könnten. Fantasy und Weltflucht sind Subtexte des Romans, aber bei der Liebesgeschichte zweier namenloser Teenager geht es eigentlich um die Suche nach dem Selbst und die Möglichkeit, Mauern zu überwinden und die Wahrnehmung von Realität, so dass „Die Stadt und ihre ungewissen Mauern“ wie ein Möbiusband wirkt und das Lesen darin wie ein Schweben.
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